PMT 2013 : Dr. Johanna Probst

„Asylanträge bearbeiten. Vergleichende Studie des Entscheidungs-prozesses in der deutschen und der französischen Verwaltung.”

 

Mit ihrer soziologischen Studie liefert Johanna Probst eine vergleichende Analyse der französischen und der deutschen Asylbehörde, namentlich das Office français de protection des réfugiés et apatrides (OFPRA) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Mittels einer in den Behörden durchgeführten Studie, welche Interviews, direkte Beobachtungen sowie die Auswertung von Archivmaterial und Statistik umfasste, konnte die administrative Praxis im Prozess der Entscheidung über Asylanträge detailliert beschrieben werden. Das Augenmerk lag hierbei nicht nur auf der verwaltungstechnischen Herausforderung, welche die Asylnachfrage für beide Aufnahmeländer darstellt. Anhand des binationalen Vergleiches wurde auch die europäische Dimension der Flüchtlingsproblematik besonders unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung von Asylpolitik in den Blick genommen. Grundlegende Unterschiede lassen sich sowohl im sozioprofessionellen Profil der Asylsachbearbeiter beider Institutionen als auch in ihrer allgemeinen Einstellung zur Asylproblematik beobachten. Der gegenwärtige Zustand des Asylverfahrens muss schließlich als das Ergebnis eines Aufschaukelns von einerseits institutionellen Kontrollzugriffen und Verifikationsversuchen, andererseits zum Umgehen dieser Hindernisse durch die von den Asylbewerbern entwickelten Strategien begriffen werden. Was die Vertreter der Behörden als Lüge, Betrug und Missbrauch des Asylrechts ansehen, erweist sich – durch die soziologische Analyse der administrativen Beziehung – als Mittel zum Zweck der Überwindung verfahrensrecht-licher Barrieren und zur Anpassung der eigenen Darstellung an bürokratische Erfordernisse. In der Tat zeigen sich die verwendeten juristischen Kategorien als der Realität gegenwärtiger Migrationsbewegungen unangepasst und sind so als ein fundamentales Problem des deutschen wie auch des französischen Asyldispositivs zu begreifen.

Johanna Probst, geboren 1984, absolvierte den Master Kulturen, Konflikte, Territorien an der Université de Strasbourg und promovierte dort und an der Philipps-Universität Marburg im Cotutelle-Verfahren. Seit 2011 ist sie gewählte Vertreterin der Doktoranden und Doktorandinnen im Institutsbeirat des Laboratoire Cultures et Sociétés en Europe und Mitglied des Veröffentlichungsausschusses der Revue Cultures & Conflits.

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