Deutsch-Französischer Nachhaltigkeitsdialog: Gemeinsam Zukunft gestalten
Otzenhausen wird zum Treffpunkt für nachhaltige Lösungen – über Grenzen hinweg

Die Europäische Akademie Otzenhausen war am 25. und 26. September 2025 Austragungsort des dritten Deutsch-Französischen Nachhaltigkeitsdialogs. Organisiert wurde dieser von der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) und der ASKO Europa-Stiftung mit Beteiligung des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier. Unter dem Motto „Kritische Themen, gemeinsame Lösungen: Zukunft nachhaltig gestalten“ diskutierten Fachleute und Interessierte aus Wissenschaft, Politik und Praxis zentrale Herausforderungen unserer Zeit. Angesichts globaler Krisen wie klimabedingten Naturkatastrophen und geopolitischen Spannungen wurde deutlich: Nachhaltigkeit darf kein Randthema werden – und braucht mehr denn je einen grenzüberschreitenden Dialog.
Impulse für eine nachhaltigere Gesellschaft
In der Eröffnungsrunde betonten Meike Kartes, Vorstandsmitglied der ASKO Europa-Stiftung und Geschäftsführerin der Europäischen Akademie Otzenhausen, Eva Martha Eckrammer, Präsidentin der DFH, sowie die Ehrengäste Jakob von Weizäcker, saarländischer Minister der Finanzen und für Wissenschaft, und Jerôme Spinoza, französischer Generalkonsul für das Saarland, die Dringlichkeit gemeinsamer Anstrengungen. Eckkrammer hob hervor, dass gerade junge Menschen in Deutschland und Europa besonders für Umweltthemen sensibilisiert seien. Zugleich machte sie deutlich, wie wichtig es sei, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gesellschaft zu tragen und partnerschaftlich zu handeln: „Nur gemeinsam können wir zu der Nachhaltigkeit beitragen, die es braucht, damit auch kommende Generationen ein gutes Leben führen können“.
Von Weizäcker mahnte, langfristiges Denken gegenüber kurzfristigen Trends zu bevorzugen. Bezugnehmend auf multiple Krisen, die die deutsche und internationale Politik aktuell beschäftigen, stellte er fest: „Diese ganzen Themen verdrängen gerade im politischen Raum die klassischen Nachhaltigkeitsthemen. Und das ist gefährlich!“.
Spinoza betonte die Rolle der Kooperation, etwa bei Klimaschutzabkommen oder in der Energiepolitik, und warnte vor den Gefahren des Rückzugs aus internationalen Verträgen. Nachhaltiges Handeln spiele aus seiner Perspektive nicht nur beim Umweltschutz eine wichtige Rolle. Auch müssten politische Prozesse nachhaltig gestaltet werden, um die Stabilität der daraus resultierenden Entscheidungen sicherzustellen.
Biodiversitätsmonitoring, Herausforderungen und gesellschaftliche Bedeutung
Die Keynote von Henrik Krehenwinkel, Professor für Biogeographie an der Universität Trier, zeigte eindrucksvoll, wie moderne Molekularbiologie und neue Methoden wie DNA-Barcoding und eDNA-Monitoring helfen, Biodiversitätsveränderungen sichtbar zu machen. Die neuen Methoden des Biodiversitätsmonitorings erlauben überraschende Schlussfolgerungen: So sinke die biologische Vielfalt innerhalb eines Ökosystems gegenwärtig vielfach nicht; die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften verändere sich jedoch stark.
Das Publikum zeigte sich von der praktischen Dimension des Vortrags besonders beeindruckt: Die Anwesenden lernten, dass sich mit modernen Verfahren in jedem Teebeutel bis zu 400 Insektenarten genetisch identifizieren lassen und dass Forschende anhand kleiner Wasserproben Aussagen über Fische und andere Lebewesen des Ökosystems treffen können.
Städte als Hotspots für nachhaltige Transformation
Im ersten Panel zu Biodiversität und Nachhaltigkeit diskutierten Rita Jacob Bauer, Direktorin des Regionalen Naturpark Nordvogesen, Patrick Stefan Rheinert, Architekt und Gründer des Architekturbüros Architecture4Future, sowie Stefan Stoll, Professor für Umweltplanung am Umwelt-Campus Birkenfeld, darüber, wie Städte lebenswerter und ökologisch robuster werden können. Moderiert wurde das Gespräch von Eva Martha Eckkrammer. Karl Matthias Wantzen, Inhaber des EUCOR Excellence Chair „Water and Sustainability“ an der Universität Straßburg und des UNESCO Chair „Rivers and Heritage/River Culture“ an der Universität Tours, beteiligte sich in Form einer Videobotschaft. Im Fokus des Panels standen Maßnahmen wie Entsiegelung, Begrünung, Naturparkkonzepte, multifunktionale Nutzung von Gebäuden und Schwammstadt-Modelle. Die Diskussion zeigte, dass urbane Räume nicht nur Herausforderungen, sondern auch Potenziale für mehr Biodiversität und soziale Teilhabe bieten. Gleichzeitig wurde betont, dass Natur eigene Rechte und starke Vertretungen braucht, um nachhaltige Entwicklung zu sichern: „Wir haben ein Problem der Repräsentanz. Wer kann für die Umwelt sprechen? Die Natur sitzt nicht mit am Tisch, wenn diese Dinge verhandelt werden“, fasste Stoll die Herausforderung zusammen.
Energieversorgung der Zukunft – gemeinsam stark
Das zweite Panel beschäftigte sich mit dem Thema Energieversorgung. Dabei lag ein besonderer Schwerpunkt auf den Differenzen und Synergien zwischen Deutschland und Frankreich. Als Referent*innen traten Benjamin Beuerle, am Centre Marc Bloch für den Forschungsschwerpunkt „Umwelt, Klima, Energie“ co-verantwortlich, Eva Hauser, Forschungskoordinatorin am Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES), und Luc Désiré Omgba, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Lothringen, in Erscheinung. Sabine Löbbe, Präsidentin der Hochschule Reutlingen, moderierte die Diskussion.
An Unterschieden zwischen Deutschland und Frankreich hoben die Diskutant*innen unter anderem die divergente Position zur Atomenergie hervor. Gleichzeitig könne man auch voneinander lernen: Als französische Best-Practice-Beispiele wurden die einkommensabhängige Förderung von Solaranlagen für Privathaushalte sowie im Tagesverlauf unterschiedliche Stromtarife zur besseren Ausnutzung vorhandener Stromproduktion genannt. Hingegen stach im Falle Deutschlands der Ausbau der erneuerbaren Energien hervor. Auch erleichtere das deutsche föderale System dezentrale Lösungen, was eine umweltfreundliche Wärmeversorgung begünstigt.
Raum, Architektur und smarte Städte: Impulse für nachhaltige Entwicklung
Im Rahmen des dritten Panels diskutierten Expert*innen und Praktiker*innen unter der Moderation von Catherine Gall, geschäftsführende Direktorin des Lehrstuhls „Entrepreuneuriat Territoire Innovation“ der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, die Herausforderungen und Chancen nachhaltiger Stadt- und Regionalentwicklung. Mit dabei: Emmanuelle Heyer, Smart City Engineer am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE), Marie-Léa Rousseau, Beauftragte für Wissenschaft und Technologie der Französischen Botschaft in Deutschland, Jan-Philipp Exner, Vorstandsmitglied des Start-Ups East Side Fab e.V. und Senior Project Engineer Smart City bei ZENNER International GmbH & Co. KG, sowie Klaus Helling, Dekan des Fachbereichs Umweltwirtschaft und -recht am Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier.
Im Mittelpunkt des Austauschs standen die Rolle von Smarten Städten und und Smarten Regionen, die Bedeutung partizipativer Prozesse sowie die Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung digitaler Lösungen. Die Expert*innen betonten, dass technische Innovationen zwar vorhanden sind, der Schlüssel für lebenswerte Städte aber in der Vernetzung von Akteur*innen, Bürgerbeteiligung und einer klaren lokalen Strategie liegt: „Wir müssen nicht nur die Daten vernetzen, sondern auch die Bürger*innen“, brachte es Exner auf den Punkt. Beispiele aus Berlin, Paris und Birkenfeld zeigten, wie unterschiedlich die Herausforderungen und Lösungswege sein können. Einig war sich das Panel: Nachhaltige Stadtentwicklung gelingt nur durch das Zusammenspiel von Technik, Teilhabe und politischem Willen.
Digitale Zwillinge und Praxisbeispiele zum Anfassen: Weitere Programmpunkte
Neben Expert*innenpanels im Fishbowl-Format überzeugte der Deutsch-Französische Nachhaltigkeitsdialog durch weitere praxisorientierte und teilweise interaktive Programmpunkte. Dazu zählten die Vorträge von Boris Brandherm, Senior Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), und Grégory Nain, Co-Founder und Head of Operations von DataThings SA. Sie lieferten Einblicke in die Digitalisierung der Energiewirtschaft und Stadtplanung und zeigten, wie digitale Zwillinge, KI und partizipative Prozesse in der Praxis dazu beitragen können, Städte und Regionen nachhaltiger zu gestalten. In seiner Dinner Speech versuchte Referent Dominik Grillmayer, Politologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutsch-Französischen Institut (dfi), Antworten auf die Frage zu finden, wie sich die Klimaschutzziele Deutschlands und der EU im Bereich Stadttransformation noch erreichen lassen. Im Rahmen eines durch Jörg Dietrich, Diplom-Biologe und zertifizierter Nationalparkführer, angeleiteten Spaziergangs lernten die Teilnehmenden, dass es sich beim Nationalpark Hunsrück-Hochwald unter anderem um eine Seniorenresidenz für Rotbuchen handelt. Während einer Besichtigung des Umwelt-Campus Birkenfeld lag der Fokus auf den alternativen und umweltfreundlichen Ansätzen, die vor Ort nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt werden: Eine geführte Tour bot Aufschluss über Bauweise und nachhaltige Energiesysteme der Hochschule, die im Green Metric Ranking zum grünsten Campus Deutschlands gekürt wurde. Zum Abschluss erfreuten das Liedermacherpaar „Hennich & Hanschel“ mit ihrer Musik Herz und Sinne, indem sie auf Deutsch und Französisch unter anderem Menschlichkeit und gutes Essen besangen.
Fazit: Dialog, Vielfalt und kleine Schritte für große Ziele
Das Schlusswort von Meike Kartes machte klar, dass nachhaltige Entwicklung nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern durch kontinuierlichen Austausch und beständiges Lernen gelingt. Begegnungen, Dialog und der Mut zu neuen, auch kleinen Schritten treten rückblickend als roter Faden der Veranstaltung hervor. Die Teilnehmenden zeigten sich überzeugt: Nur durch grenzüberschreitende Kooperation und das Sichtbarmachen erfolgreicher Praxisbeispiele kann der Wandel zu einer nachhaltigen und resilienten Gesellschaft gelingen. In Kartes‘ Worten: „In der Schlussbilanz ist es die Begegnung, das Voneinander-Lernen und das Brücken-Bauen – ob das zwischen den Kulturen ist, zwischen den Sprachen oder zwischen den Wissenschaften.“
Stimmen aus dem Publikum
„Ich bin ganz überwältigt von der Kompetenz der Referent*innen und ich staune, was da alles an Wissen schon vorhanden ist, von dem ich sonst nicht immer so viel mitkriege. Als Impuls nehme ich mit, dass es sich lohnt, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen und praktische Schritte in der Kommune nachzuvollziehen.“
– Irmtraud Haffner, Klimaschutz-Patin Merzig, Teilnehmerin
„Mein Wunsch ist es, dass wir jetzt deutschland- und frankreichweit, ja europaweit und weltweit daran arbeiten, dass wir [Nachhaltigkeit] nicht nur im Stromsektor schaffen, sondern auch für Wärme, für den Verkehr und für industrielle Anwendungen.“
– Eva Hauser, IZES GmbH, Referentin
„Wir müssen uns Gedanken machen, dass wir gute Antworten finden und auch Gegenrede betreiben, wenn man mit gewissen Argumenten die nachhaltigen Bestrebungen zum Stillstand bringen möchte.“
– Tobias Kranz, Universität Trier / Lokale Agenda Trier, Teilnehmer
„Ich fand es sehr bereichernd, […] sich nicht entmutigen zu lassen, sondern für die Lösungsansätze, die uns präsentiert wurden, zu schauen: Wie können wir sie als Städte, als Kommunen umsetzen? Und auch ganz individuell im Alltag: Was lässt sich dann davon implementieren, damit wir mehr Nachhaltigkeit leben?“
– Oleysa Kovalchuk, StudienStiftung Saar, Teilnehmerin
„Ich finde diese Veranstaltung sehr gut und sehr informativ. Gerade im Bereich, dass unsere Gemeinde bis 2030 CO2-neutral werden möchte, gibt es viele Impulse, die man mitnehmen kann, um die Bürger*innen transparent zu informieren.“
– Alexander Raphael, Klimaschutzbeauftragter der Gemeinde Rehlingen-Siersburg, Teilnehmer
„Es gab sehr viele unterschiedliche Themen: Welche, die mehr aus einer biologischen und ökologischen Sichtweise portraitiert worden sind und auch eine soziale und gesellschaftliche Frage, weil alles miteinander sehr verwoben ist. Und diese Verwobenheit, die hier noch einmal mehr mit hineinkam durch das Grenzüberschreitende, Deutsch-Französische: dieses Thema zieht sich eigentlich durch alle Aspekte der Nachhaltigkeit.“
– Anika Adam, Master-Studentin, Teilnehmerin
„Ja, leb‘ dein Leben, schau aber trotzdem auch auf dich – und darauf, dass du nicht nur bei dir ansetzt, sondern deine Arbeit, deinen Elan in nachhaltige Strukturen investierst: damit wir alle nachhaltiger Leben.“
– Tobias Kranz, Universität Trier / Lokale Agenda Trier, Teilnehmer